Triebe

 

Verhaltensforschung und Psychologie: die auf Automatismen beruhende, das Appetenzverhalten auslösende, auf Abreaktion drängende und anschließend neu entstehende aktionsspezifische Antriebsenergie. Die innere Erregung dafür wird nach den Vorstellungen der modernen Verhaltenslehre fortlaufend zentralnervös produziert und staut sich auf (Triebstau).Bei starkem Triebstau reicht schon ein schwacher spezifischer Reiz aus, der die innere Sperre über einen Auslösemechanismus beseitigt, um die Handlung ablaufen zu lassen (Triebbefriedigung). Über die Triebveranlagungen setzt sich der Hund aktiv mit der Umwelt auseinander. Sie bestimmen den Ablauf und die Intensität von Erregungs- und Hemmungsphasen.
Viele arttypischen und teilweise erlernten Verhaltensweisen wurden mit den nachfolgenden Triebbezeichnungen versehen:
Jagdtrieb - Spürtrieb - Stöbertrieb - Beutetrieb - Bringtrieb - Bewegungstrieb - Betätigungstrieb - Spieltrieb - Fluchtrieb - Selbstverteidigungstrieb - - Meutetrieb - Geltungstrieb - Kampftrieb - Schärfe – Führigkeit - Schutztrieb - Wachtrieb – Heimkehrtrieb - Geschlechtstrieb - Pflegetrieb

 

Alle Triebe lassen sich auf die Grundtriebe Selbsterhaltung und Arterhaltung zurückführen.

 

Für die Ausbildung sind folgende Triebbegriffe von Bedeutung :

 

1. Der Spürtrieb
Der Spürtrieb ist im Jagdtrieb vorankert und äußert sich

a. in der Bereitschaft, eine Tier - oder Menschenfährte aufzunehmen
b. in dem Bestreben, die Fährte mit tiefer Nase freudig und ausdauernd zu verfolgen

 

2. Der Beutetrieb
Der Beutetrieb gehört ebenfalls zum Funktionskreis der Nahrungsaufnahme und ist dem Jagdtrieb nahe verwandt.
Er äußert sich in dem Bestreben, Beuteobjekte zu fassen, festzuhalten und zu töten.

 

3. Der Bringtrieb
Der Bringtrieb ist das Bestreben, Beuteobjekte oder Teile von ihnen aufzunehmen, zu verschleppen, zu verstecken, zu vergraben oder zu bringen.
Jagd-, Beute- und Bringtrieb bilden einen Funktionskreis.

 

4. Der Bewegungs-, Betätigungs- und Spieltrieb
Der Bewegungs- und Betätigungstrieb wurzelt in der konstitutionellen und konditionellen Vorfassung des Hundes. Man bezeichnet damit den Drang, angestaute physische und psychische Energien in Form von Bewegung oder irgendwelcher Betätigung zu entladen.
Der Spieltrieb ist meist nur bei jungen Hunden bis zu -6--Monaten ausgeprägt vorhanden und zum Teil im Bewegungs- und Betätigungstrieb begründet.

 

5. Der Meutetrieb
Der Meutetrieb äußert sich beim Hund in dem Bestreben, sich zu einer Tier oder Tier - Menschengesellschaft zusammenzuschließen, an die er sich gebunden fühlt und in welcher sich seine auf die Meute ausgerichteten Triebe auswirken.

 

6. Die Führigkeit
Ist die Neigung, sich dem Ranghöheren innerhalb einer Meutegemeinschaft unterzuordnen, nachdem man dessen Autorität erlebt und respektieren gelernt hat.

 

7. Die Willigkeit
hierunter versteht man die Neigung gewünschtes Tun oder Unterlassen als Verhaltensweise anzunehmen und ist abhängig von der Intelligenz und der Aktionsbereitschaft des Hundes.

 

Der Aggressionstrieb
Einen eigenständigen Aggressionstrieb gibt es nicht. Aggressives Verhalten ist immer eine Reaktion auf äußere oder innere Reize, abhängig von der jeweiligen Erfahrung und Signalgesteuert.
Der fälschlich benutzte Begriff umfasst den reaktiven {8. Wehrverhalten) und den aktiven (9.Geltungstrieb) Bereich aggressiven Verhaltens.

 

8. Das Wehrverhalten
ist dem Funktionskreis des Aggressionsverhalten zugeordnet und kann sich mit vielen Funktionskreisen Überlagern.
Der Schlüsselreiz zum Wehrverhalten ist die Bedrohung des Hundes in physischer oder psychischer Art oder offene Aggression. Das Triebziel des Hundes ist die Erzeugung des Meideverhaltens beim Bedroher.
Das Wehrverhalten äußert sich in : Drohen - Fixieren - aggressive Abwehr - Zubeißen

Die Motivation ist vom jeweiligen Funktionskreis abhängig:
a. Nahrungsaufnahme - Beutebewachen, - verteidigen
b. Sexualverhalten - Kinder- Haustiere- , Welpenbewachen
c. Im sozialen Bereich dient es der Festlegung der Rangpositionen, der Wahrung von Privilegien, Verteidigung gegen Fremdes oder Notwehr (Angst beissen) .

Das Wehrverhalten (auch fälschlich „Wehrtrieb") unterliegt nicht der reizspezifischen oder aktionsspezifischen Ermüdung, da es zur Gruppe der Selbsterhaltungstriebe zahlt ,ist also ständig aktivierbar.

 

9. Der Geltungstrieb
gehört zum Bereich der sozialen Aggression und erreicht sein Triebziel im Flüchten, Ausweichen, in der Unterordnung und mitunter auch in der physischen Beschädigung oder im Töten des Konkurrenten. Sie dient der Gewährleistung eines ausreichenden Lebensraumes, bevor Nahrungsmangel die Population als Ganzes schwächt sowie/der sexuellen Selektion {Darwinismus).

Dazu gehörende Verhaltensweisen sind :
Droh- und Imponiergebärden
Demuts- und Beschwichtigungsgebärden
Territorialität
Individualdistanz - Fluchtdistanz - Kritische Distanz
Kampfformen wie Ergebenshaltung und Dominazgebahren

 

10. Meideverhalten
Der Schlüsselreiz für den Hund ist der gleiche wie beim Wehrverhalten.
Das Triebziel, welches der Hund mit dem Meideverhalten erreichen will, ist die Erhaltung der persönlichen, körperlichen Unversehrtheit, die Feind- und Schädlichkeitsvermeidung, das Sich-in-Sicherheit-bringen vor bedrohlichen Ereignissen und Feinden. Der Übergang vom Wehrverhalten zum Meideverhalten ist fließenden, da beide durch den gleichen Schlüsselreiz ausgelöst werden. Faktoren für eine Tendenz in die eine oder andere Richtung sind das Alter des Hundes sowie Umweltreize und Erfahrungen die Hund gesammelt hat.

 

10.1. Fluchtdistanz
Jedes Tier flieht vor einem überlegenen Gegner, sobald sich dieser über eine gewisse Entfernungsgrenze hinaus nähert. Die Distanz wächst in dem Grade, in welchem ein Tier den betreffenden Gegner fürchtet.
Es ist also der Mindestabstand, bis auf den ein artunterlegenes Tier den biologischen Feind an sich heranlässt ohne zu fliehen.

 

10.2. Kritische Distanz
Unterschreitet der gefürchtet Feind die Fluchtdistanz auf eine ebenso bestimmte, viel kleinere Entfernung stellt sich das Tier zum Kampf.

Die Unterschreitung der kritischen Distanz ist in der Regel nur in drei Fällen möglich :
1. der Feind überrascht das Tier
2. das Tier steckt in einer 'Sackgasse und kann nicht fliehen
3. Verteidigung der Brut

 

10.3. Individualdistanz
Ist derjenige Abstand, auf den ein Artgenosse den anderen an sich heranlässt.
Sie ist ein Maß für den persönlichen Bekanntheitsgrad zweier Individuen oder für die Instinktstimmung und abhängig von letzterer. Daher ist sie zum Beispiel zeitweilig zwischen gegengeschlechtlichen Artgenossen geringer, für gleichgeschlechtliche größer.

 

Der Kampftrieb
Einen eigenständigen Kampftrieb gibt es ähnlich wie den Aggressionstrieb nicht.
Unter dem fälschlich verwendeten Begriff versteht man die ererbte Freude am Kampf, der Wille zur Aufmerksamkeit und letztlich zur Angriffsfreudigkeit. Er äußert sich in dem Bestreben, die eigenen Körperkräfte mit einem Rivalen oder Feind zu messen, sei es im Spiel oder im Ernst. Der Kampftrieb steht dem Spiel- , Bewegungs- ,Betätigungstrieb nahe .
Wesentliche Bestandteile sind :
- der Beutetrieb
- der erfolgreiche Einsatz von Wehrverhalten
- die soziale Aggressivität (Konkurrenzverhalten)

Die Voraussetzungen eines ausgeprägten Kampftriebes sind:
a. das Gefühl der physischen Stärke
b. die innere Sicherheit und Unerschrockenheit {Mut)
c. der Geltungstrieb
d. eine gewisse Härte
e. Ein ausgeprägtes Sexualvorhalten

 

11. Die Schärfe
Ist die Eigenschaft des Hundes, - auf scheinbare oder tatsächliche bedrohlich Umweltreize aggressiv zu reagieren.

Es wird unterschieden:
a. unerwünschte Schärfe (ist im Meideverhalten begründet und ein Akt der Notwehr - Angstbeißer)

b. erwünschte Schärfe (
basiert auf einem ausgeprägten Selbstsicherheit und Belastbarkeit, und einer angeborenen, leicht reizbaren, feindseligen Grundstimmung.)

 

Der Schutztrieb
Ist die Bereitschaft, dem von einem Feind bedrohten Meutegefährten schützend beizustehen und ihn zu verteidigen. Er setzt Kampftrieb, Mut und erwünschte Schärfe voraus.
Einen derartiges Triebverhalten gibt es nicht. Die Bezeichnung Mut ist ebenso im Verhältnis zum Hund fehlerhaft. Mut besteht nicht darin, dass man die Gefahr blind übersieht, sondern dass man sie sehend überwindet. Mut zeigt wer im Interesse anderer Gefahren bewusst übernimmt. Selbst bei der Wildform gibt es nur den Selbstschutz bei persönlicher Bedrohung ohne Fluchtmöglichkeit (siehe kritische Distanz).